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Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Der Schwachsinn der zentralen Terminvergabe

Jetzt haben wir sie also, die zentrale Terminvergabe beim Facharzt. Wenn man länger als vier Wochen auf einen Termin beim Facharzt warten muss, kann man sich über eine Zentralstelle bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen Termin in Wohnortnähe vermitteln lassen. Die Dringlichkeit des Termins muss allerdings ärztlich bescheinigt werden, in der Regel durch den Hausarzt. Falls kein Termin bei einem Facharzt verfügbar ist, kann die Behandlung auch im Krankenhaus erfolgen. Bezahlen soll in diesem Falle die KV. Das heißt, das Honorar für die Behandlung wird aus dem Topf, der für die Bezahlung der Fachärzte zu Verfügung steht, genommen. Das hört sich zunächst mal ganz toll an. Da stutzt man die reichen Fachärzte, die sowieso die meiste Zeit auf dem Golfplatz verbringen, und tut den Patienten etwas richtig Gutes.

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Wenn man viele Jahre in diesem Gesundheitswesen gearbeitet hat, fasst man sich allerdings bei so viel Dummheit und Naivität an den Kopf.

Für Wartezeiten gibt es zwei einfache Gründe, die unter den Begriff Mengenbegrenzung fallen.

Einerseits gibt es in manchen Regionen für bestimmte Untersuchungen schlicht zu wenig Ärzte. Um die nachgefragten Behandlungen durchführen zu können, müssten also mehr Ärzte zugelassen werden. Das wird insbesondere von den Krankenkassen-Vertretern in den Zulassungs-Ausschüssen verhindert, weil sie gar kein Interesse daran haben, dass mehr Ärzte zugelassen werden. Dadurch würden nämlich automatisch mehr Leistungen mit mehr Folgekosten entstehen.

Andrerseits werden aber auch die „vorhandenen“ Fachärzte daran gehindert, mehr Leistungen zu erbringen. Sie unterliegen nämlich einer Richtgröße. Das bedeutet, sie bekommen nur eine begrenzte Zahl an Untersuchungen bezahlt. Machen sie mehr, tun sie das zum Nulltarif. Wenn ein Notfall vorliegt, wird der fast immer auch zum Nulltarif abgearbeitet. Dieser Notfall muss aber dann von einem Arzt festgestellt werden. Man müsste also mehr Fachärzte zulassen oder die Fachärzte für Mehrarbeit bezahlen.

Für die wirklich notwendigen Leistungen sind die vorgehaltenen Leistungsmengen übrigens völlig ausreichend. Auch wenn man es nicht glauben mag: Ein großer Teil der ärztlichen Leistungen wird nur nachgefragt, weil es für den Kunden = Patienten nichts kostet.

Mein Kollege in Herne, Kardiologe, hat zu den Gründen, die zur Inanspruchnahme seiner Notfallsprechstunde veranlassten, eine bemerkenswerte Erhebung durchgeführt:

38 Prozent: bevorstehender Urlaub

34 Prozent: Angststörung, Ungeduld

19 Prozent: zuvor versäumter Termin

5 Prozent: „war noch nie beim Kardiologen“

2 Prozent: zeitnahe Versorgung (z.B. OP-Vorbereitung)

1,5 Prozent: unvollständige/Fehl-Diagnosen im Vorfeld

0,5 Prozent: Notfälle

Wenn man die zeitnahe Versorgung zur OP-Vorbereitung zu den dringlichen Terminen hinzurechnet, redet man demnach über weniger als 3 Prozent der Fälle. Der Rest ist Luxus, Verschwendung und Schlamperei, insgesamt mehr als 90 Prozent.

Man müsste also den ungebremsten Konsum medizinischer Leistungen begrenzen. Das ginge aber nur, wenn man dem Kunden seine Mündigkeit zurückgibt und ihn an der Verantwortung für die von ihm verursachten Kosten beteiligt. Vermutlich würde aber jede Partei, die das durchsetzt, bei der nächsten Wahl aus dem Parlament verschwinden. Es ist also kaum zu erwarten, dass sich an der derzeitigen Situation etwas ändert.

Die Drohung Richtung Fachärzte, auch Krankenhäuser in die ambulante Behandlung mit einzubeziehen, wird seit Jahren immer wieder dann ausgestoßen, wenn der Politik und den Krankenkassen nichts besseres einfällt. Die Leistung in den Krankenhäusern müsste schließlich auch von Fachärzten erbracht werden. Das sind die Chef- und Oberärzte. Die sind auch jetzt schon ausgelastet. Außerdem sind die Kosten, die in den Krankenhäusern für fachärztliche Leistungen anfallen, drastisch höher als in der Praxis. So ein Krankenhaus arbeitet einfach viel teurer. Darüber hinaus haben Krankenhäuser immer die Neigung, auf dem Umweg über die Ambulanz ihre Belegung zu steigern. Wird ein Patient dann stationär aufgenommen, wird es erst richtig teuer. Da kann eine Magenspiegelung, für die der Facharzt im Rahmen der Richtgrößen circa 35 Euro bekommt, schnell mal deutlich über 1000 Euro kosten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies bei den Krankenkassen nicht bekannt ist.

Möglicherweise reitet aber ein paar ahnungslose Politiker der Teufel, und sie öffnen die Krankenhäuser in großem Stil für die Ambulanz. Eins ist dann sicher: Der Beitragssatz für die Krankenkasse wird dadurch so wenig sinken wie die Wartezeit auf eine Untersuchungstermin.

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Ich selbst erinnere mich nicht an einen einzigen Fall in meiner 27-jährigen Kassenarztzeit, dass mir jemals eine dringlich durchzuführende Behandlung in einer Facharztpraxis abgeschlagen wurde, wenn ich mich persönlich darum bemüht habe. Meistens genügte sogar ein Telefonat einer Mitarbeiterin. Die zentrale Terminverwaltung ist nach meiner Überzeugung ein völlig überflüssiger Aktionismus, der Geld kostet, aber nichts verbessert.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey