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Arbeitsgericht: "Mächtig Sand im Getriebe"

Wenn "Änderung und Umgestaltung betrieblicher Organisationsformen" selbst geringfügige Arbeitszeiten von 15 Wochenstunden zur Einsparung von Personalkosten noch fast halbieren, die Betroffenen aber gleichzeitig soviel Überstunden ableisten wie vorher, kann es zu Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht kommen. So auch im Fall einer seit zehn Jahren bei der Firma Benkert GmbH & CO KG an der Industriestraße beschäftigten Industriekauffrau, die am 11.5.2016 per Änderungskündigung zum 31.8.2016 von 15 auf 8,25 Wochenstunden mit entsprechendem Lohnverlust von 478 Euro brutto gesetzt wurde.

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Vorher montags mit achteinhalb Stunde im Empfang, vier Stunden in der Materialausgabe von Bestellungen der einzelnen Abteilungen und zweieinhalb Stunden bei der 1993 gegründeten Benkert-Tochter MPE (Microperforation Engineering GmbH) beschäftigt, blieb der 51-Jährigen nur noch der Empfang. Eine ältere Kollegin, von der Betroffenen auch regelmäßig in Form von Überstunden vertreten, schied wegen ihres Alters und ihrer viel längeren Betriebszugehörigkeit als Alternative zu der Arbeitszeitverkürzung aus, wie Benkert-Personachef Bomm und Assessor Bergmann (Arbeitgeberverband) bereits im Juni 2016 Arbeitsrichterin Große-Wilde vorgetragen hatten (halloherne berichtete).

Dort hatte die Arbeitnehmerin, die die Änderungskündigung nur "unter Vorbehalt" angenommen hatte, mit Rechtsanwältin Dietlinde Neumann Klage erhoben. Hauptargument: Wenn die Klägerin ohnehin mit ihren ständigen Überstunden selbst ihre alte Arbeitszeit überschreitet, könne der weltweit marktführende Hersteller des Mundstückspapiers der meisten Zigarettenmarken es doch bei der alten Arbeitszeit von 15 Stunden belassen. Die Reaktion des Unternehmens auf die Klage waren mehrere Abmahnungen, davon eine wegen Verspätung von drei (!) Minuten und einen Tag vor der dritten Verhandlung Mitte Januar die Anordnung, "das Foyer des Empfangs zu wischen," wie Anwältin Neumann das Klima kurz kommentierte.

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Auch die Richterin stellte jetzt fest, "dass da wohl mächtig Sand im Getriebe ist." Das rief nach Einigung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, von den Parteien auf Vorschlag des Gerichts nach mehreren Beratungen auf dem Flur schließlich auch akzeptiert: Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. April, Freistellung ab 1. März, Abrechnung auf der Basis von 1.000 Euro brutto im Monat und eine Abfindung von 19.000 Euro brutto. Außerdem verpflichtete sich der Personalchef, "keine negativen Auskünfte an Dritte zu erteilen." (AZ 3 Ca 1223/16)

| Autor: Helge Kondring